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Referat Werbung
und Medien
bei Dr. Gregor
Jansen
SS 2000, Fh Aachen,
Fb 04 VisKom
Helge Barske
"Werbung- allgemein
jede Tätigkeit, die Menschen beeinflussen, gewinnen, für bestimmte
Ziele aktivieren will (Propaganda).
Die wirtschaftliche
Werbung (Reklame) umfaßt alle Maßnahmen zur Absatzförderung:
Anzeigen in Zeitung und Zeitschrift, Werbebrief, Prospekt
und Broschüre, Katalog und Flugblatt, Plakat, Schaufenster,
Licht-, Film- und Radio-Reklame usw. [...]" (Brockhaus 1950,
S. 637)
Werbung ist keine
neue Erscheinung, auch dann nicht, wenn nur die wirtschaftliche
Werbung betrachtet wird. So die antiken römischen Praeco,
die als öffentliche Ausrufer sowohl staatliche als auch private
Termine wie etwa Auktionen oder die Ankunft bestimmter Händler
ankündigten, also im Sinne der obigen Definition wirtschaftliche
Werbung zur Absatzförderung betrieben. Diese Tradition ging
im Mittelalter weitgehend verloren. Mit dem Buchdruck schuf
Johannes Gutenberg 1445 die technischen Voraussetzungen für
das erneute Auftreten von Werbung im großen Stil: gedruckte
Handzettel, die verteilt und plakatiert wurden. Ende des 17.
Jahrhunderts entstanden in Europa sog. Intelligenzkomptoirs.
Dies waren Vermittlungsanstalten, die Listen zur Verfügung
stellten, in denen gegen Gebühr Angebote eingetragen und herausgesucht
werden konnten. Bald wurden diese Listen vervielfältigt und
verkauft. Dieses Intelligenzwesen wurde von den Regierungen
kontrolliert. Das Herausgeben dieser Verzeichnisse war meist
steuerpflichtig. Der preussische König Friedrich Wilhelm I.
verlangte 1727 eine Trennung von Intelligenzwesen und Zeitung;
Inserate waren den Anzeigenbüros vorbehalten und durften nicht
in Zeitungen abgedruckt werden. Mit der erhöhten Druckleistung
der Druckerpressen und dem Bedürfnis nach grösseren Auflagen
der Medien fanden nach der Aufhebung des "Intelligenzzwanges"
1849 die Inserate Eingang in die Presse. Das hatte zur Folge,
dass die Preise für Zeitungen gesenkt werden konnten. Es rief
aber auch Gegner auf den Plan, die gegen diese Vermischung
von Anzeigen und redaktionellem Inhalt waren. Der Sozialdemokrat
Ferdinand Lasalle kritisierte 1863 in einer Rede, die Presse
sei nicht mehr Vorkämpfer der Freiheit sondern nur noch eine
industrielle Kapital-Anlage und Geld-Spekulation. Vorschläge
von Verfechtern der "unabhängigen Presse" schlugen zwar vor,
Anzeigenwesen und Publizistik zu trennen, hatten damit aber
keinen Erfolg. So entstanden sehr viele "Generalanzeiger",
"Anzeigeblätter" und "Geschäftsanzeiger", die sich durch Inserate
finanzierten, zur Unterhaltung und Belehrung aber kleinere
redaktionelle Einschübe enthielten. Während sich die etablierten
Zeitungen, die Nachrichten aus allen Ländern beinhalteten,
an das Publikum der höheren Stände richteten, wurden die genannten
Anzeiger für die grosse Masse des Volkes herausgegeben, die
weniger Geld für Presserzeugnisse ausgab. Rudolf Mosse gilt
als Pionier in der Vermarktung des Anzeigenmarktes. Mit einem
Rabattsystem und einem Zeitungskatalog, der Informationen
über den Werbemarkt beinhaltete, handelte er mit Inseraten.
Später gründete Mosse das "Berliner Tagblatt" und vermarktete
dieses geschickt über Provinzzeitungen und Gratisverteilung.
Bis um 1900 wuchs das Verhältnis von Anzeigen zum redaktionellen
Inhalt in den Zeitungen der grossen Städte Deutschlands von
3 : 1 bis zu 5 : 1. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts
kam es dann zu einem regelrechten Anzeigenboom, mit dem sich
die anpreisende Werbung für ein detailgetreu dargestelltes
Produkt zur stilisierten Werbung für Markenartikel und Marken
entwickelte. Es entstanden Anzeigenagenturen; die Werbegestaltung
und Gebrauchsgrafik etablierte sich. Zum Wachstum der Werbebranche
trugen Entwicklungen wie die Farblithografie und später weitere,
sich immer vervollkommendere Massendrucktechniken genauso
bei wie 1855 die Idee der Plakatsäule von Litfaß. Plakate
und Reklameanschläge wurden so von bloßen Werbetexten zu einem
künstlerisch gestalteten Medium und schließlich zu einem den
Alltag umfassend durchdringenden Werbemittel. Die Stellung
der Werbung zwischen Staat und Wirtschaft war Ende des 19.
Jahrhunderts allerdings noch im Fluß. Hierzu ein Abschnitt
über "Das Plakatwesen" aus dem Freiburger Architektenbuch:
"Im October 1893
wurde vom Stadrath beschlossen, dass das Plakatwesen mit 1.
April 1894 in die Verwaltung der Stadt übergehen solle. Es
wurde deshalb mit der Firma H. M. Poppen & Sohn hier, welche
bisher das Plakatgeschäft inne hatte, wegen Uebernahme verhandelt
und die Einrichtung sammt den Anschlagtafeln um den Kaufpreis
von 2000 Mark übernommen -- unter Verzicht genannter Firma
auf den Weiterbetrieb ihres ganzen Plakatgeschäftes. Ausser
den Tafeln wurden 15 Plakatsäulen aufgestellt [...]" (Thoma
1898)
1933 wurde das
Anzeigenwesen in Deutschland staatlich kontrolliert und es
wurden Normen aufgestellt. Damit wollten die Nationalsozialisten
den "wilden privatwirtschaftlichen Konkurrenzkampf" durch
einen "fairen Leistungswettbewerb" ersetzen. Durch einen Anzeigenboykott,
indem der bürgerlichen Presse Aufträge für amtliche Bekanntmachungen
entzogen wurden, versuchte man diese gleichzuschalten. Das
Anzeigenwesen wurde immer wichtiger, bis es, mit einem Einbruch
während dem Zweiten Weltkrieg, zur wichtigsten Einnahmequelle
der Presse geworden ist. Während sich der technische Aufwand
in Grenzen hält, Kleinanzeigen, die an einem Band in der gleichen
Schriftgrösse gesetzt wurden, zu drucken, war es wesentlich
komplizierter, Anzeigen in unterschiedlichen Grössen, verschiedenen
Schriftarten oder gar mit Bildern versehen auf das Papier
zu bringen. So waren es meist die Anzeigen, die den technischen
Fortschritt in der Drucktechnik vorantrieben. Im deutschen
Nachrichtenmagazin SPIEGEL benötigte die Werbung Farbe, bevor
das restliche Layout ebenfalls dazu überging. Heute sind das
Fernsehen, die Publikumszeitschriften und die Tageszeitungen
mit Abstand die wichtigsten Werbeträger geworden.
Schon an diesen
kurzen Ausschnitten aus der Werbegeschichte wird deutlich,
daß die Entwicklung der Massenmedien und der Fortschritt der
Werbebranche gewisse Parallelen aufweisen. Es gibt einen sich
gegenseitig antreibenden Kreislauf zwischen der Entwicklung
der Massenmedien und der Werbung, der dazu geführt hat, daß
immer neue, die Massen und ihre Aufmerksamkeit erreichenden
Medientechniken entwickelt wurden. Andererseits ist es aber
nicht so, daß das, was wir als Werbung betrachten, immer mit
etwas verbunden sein muß, was wir per se als Massenmedium
betrachten. Es ist eine Tatsache, dass "anything that can
carry it" von Werbung befallen ist oder zumindest befallen
werden kann.
Heute fliessen
fast 40 Milliarden Mark Werbegelder jährlich in die Medien.
Eine Folge: Die Kosten für den Massenmedienkonsum gehen immer
weiter zurück; Privatfernsehen ist quasi umsonst, Zeitungen
und Zeitschriften werden immer erschwinglicher. Für die Befürworter
und Lobbyisten der Werbung ist der Fall daher klar: Werbung
schafft vielfältige Inhalte, unterstützt den Pluralismus,
die Pressefreiheit und letztlich die Demokratie.
"Die heutige Vielfalt
der Medienlandschaft haben die Zuschauer der Werbung zu verdanken."
Fred Kogel, Programmgeschäftsführer
Sat.1
"Werbung hat in
der Vergangenheit vieles erst möglich gemacht: Erstens jene
enorme Medien- und Meinungsvielfalt, die die westlichen Demokratien
so auszeichnet -- durch mehr Zeitungen, mehr Zeitschriften
und mehr Radio- und Fernsehsender. Zweitens sorgte die Werbung
für mehr Wettbewerb und Transparenz im Wirtschaftsleben und
damit auch für niedrigere Preise... Drittens schuf die Werbung
eine Vielzahl neuer zukunftsorientierter Arbeitsplätze bei
Unternehmen, Agenturen und Medien."
Gerhard Zeiler,
Geschäftsführer RTL
Andererseits hängen
die Medien gleichzeitig am Tropf der Werbung und bemühen sich
sichtlich, ein möglichst gutes Werbeumfeld darzustellen. Welchen
Einfluß nimmt die Werbung heute auf die Inhalte der Medien?
Wie gestaltet sich das Spannungsverhältnis zwischen dem publizistischen
Auftrag der Medien und dem Wettlauf um die Werbemilliarden,
dem ökonomischen Wettbewerb? In den USA gehört die Bestimmung
von Inhalten durch Unternehmen bereits seit 1933 zum Programmalltag.
Procter & Gamble (P&G), seit langem Spitzenreiter unter den
globalen Werbegiganten, bot damals einem Radiosender einen
Geschichte machenden Tauschhandel (heute als "Bartering" bekannt)
an: Der Konzern würde eine eigene Sendung "kostenlos" produzieren
und der Station so die teure Produktion von Inhalten ersparen.
Im Gegenzug wollte der Konzern seine Spots verbreitet wissen
und seine Produkte natürlich auch während der "Show" in Szene
setzen. So entstand die Serie Ma Perkins, die P&G geschickt
als Werbemedium für Oxydol, die damals führende Waschmittelmarke,
nutzte. Heute ist die Einflussnahme und der Druck der Werbetreibenden
auf die Medien noch direkter. So hat der Autohersteller Chrysler
noch vor seiner Fusion mit Daimler Benz über seine Werbeagentur
PentaCom einen Brief an zahlreiche Magazine verschickt und
diese aufgefordert, rechtzeitig vor Erscheinen eines Hefts
eine Übersicht über die behandelten Themen zu schicken. Vor
allem soll Chrysler darauf hingewiesen werden, ob Inhalte
vorkommen, die sich "sexuellen, politischen oder sozialen
Angelegenheiten" widmen oder als "provokativ oder offensiv"
ausgelegt werden könnten.
"Our whole contention
is that when you are looking at a product that costs twentytwothousand
dollars, you want the product to be surrounded by positive
things. There's nothing positive about an article about child
pornography."
David Martin,
Chef der Werbeagentur PentaCom
Doch auch wenn
die Fernsehsendungen oder Zeitschriften nicht immer ganz von
Unternehmen getragent werden, so präsentiert inzwischen doch
längst "Whiskas" das Wetter, "Focus" das Kulturmagazin oder
eine Kulmbacher Brauerei den langen und werbefreien Spielfilmgenuß
am Sonnabend. Da Spots in Hülle und Fülle über den Schirm
gejagt werden, ist die Suche nach Sonderwerbeformen, nach
Werbung "below the line" gerade im Fernsehen ausgebrochen.
Sponsoring ist die bekannteste Form, Schleichwerbung bzw.
schöner ausgedrückt Product Placement sein Stiefbruder. Vernetzte
Kommunikationslösungen und integriertes Marketing sind angesagt,
um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erhaschen: Keine Wetten,
daß...?-Sendung ohne Gottschalks vielgeliebte Gummibärchen,
kein Münchner Tatort ohne BMW, und Götz George als Paroli-Lutscher
oder Kenner der Nummer der Telefonauskunft. Selbst die Bild-Zeitung
konnte angesichts dieser Form der Promotion nicht mehr stillhalten:
"Das war schon keine Schleichwerbung mehr. Dieser Krimi wirkte
wie ein einziger Werbespot." Wahrscheinlich hatten die Bild-Journalisten
kurzzeitig vergessen, daß der Thriller im Sender Sat.1 lief,
an dem der Springer-Verlag mit einem nicht unbedeutenden Anteil
beteiligt ist. Die Grenzen zwischen Werbung und Medien, zwischen
ästhetischen und ökonomischen Aspekten der Medien verschwimmen
so immer mehr. Was August Fischer, Vorstandsvorsitzender des
Axel Springer Verlags, als "bewährte Partnerschaft von Medien
und Werbung bezeichnet", ist für Kritiker nichts weiter als
die Unterwanderung der publizistischen Aufgaben und Freiheiten.
Der frühere RTL-Chef Helmut Thoma nahm da kein Blatt vor den
Mund. Seiner Ansicht nach sollen und können Privatsender keinem
Programmauftrag dienen, sondern ausschließlich dem Unternehmensziel,
nämlich der "Akzeptanz durch die Werbewirtschaft und durch
die Zuschauer." Die Prioritätensetzung sagt in dieser Reihenfolge
eigentlich alles über die Programmgestaltung des Privatfernsehens
aus. Die "agenda-setting-function" der Werbung, ihre Fähigkeit
also, mit riesigen Geldsummen den Konsum als einziges Thema
auf die Tagesordnung zu setzen, ist im Verteilungskampf um
öffentliches Bewußtsein gleichbedeutend mit der Nichtbehandlung
des Nichtkommerziellen und Nichtbeworbenen. Kommerz- und werbefreie,
der Muße und der Entspannung dienende Bereiche werden nicht
mehr respektiert. Immer aufdringlicher nistet sich die Werbung
auch in der privaten Sphäre ein, so daß die Stimme des Kommerzes
zur vorherrschenden Ausdrucksform in der Gesellschaft wird.
"Werbung und Information
lassen sich kaum mehr unterscheiden."
Norbert Bolz
Quellen:
Werbung und Journalismus/
Noah Bubenhofer
Geschichte der
Werbung/ Katharina Weichert
Werbung und Medien,
ein parasitäres Verhältnis?/ Till Westermayer
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